Situation
Ein Bauherr hatte Anfang des Jahres 2016 ein älteres Wohnhaus gekauft, mit dem Ziel, es umzubauen und selbst zu nutzen. Das Gebäude war in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in Fertigbauweise als Holzständerkonstruktion erstellt worden.
Vom Verkäufer wurde mitgeteilt, dass vor dem Verkauf ehemals ein Wasserschaden aufgetreten war, den er aber in der Zwischenzeit hatte beseitigen lassen.
Im Zuge von Umbaumaßnahmen des Käufers nach dem Einzug wurden dann holzzerstörende Pilzbildungen an der Wandkonstruktion zwischen dem Badezimmer und dem Schlafzimmer sowie an den Innenseiten der Außenwände festgestellt.
Feststellungen beim Ortstermin
Während eines Ortstermins habe ich das betroffene Gebäude untersucht und hierbei folgende Befunde festgestellt:
Die Trennwand zwischen dem Badezimmer und dem Schlafraum war als Holzständerkonstruktion ausgeführt.
Es zeigte sich, dass die Balken dieser Trennwand im Sockelbereich von holzzerstörenden Pilzbildungen befallen waren.
Im Bereich des ehemals im Badezimmer an der Trennwand zum Schlafzimmer angebrachten WCs wiesen die Holzpilzbildungen die höchsten Ausprägungen auf. Von dort aus verliefen die Holzpilze sowohl in Richtung zur Außenwand als auch in Richtung zum Gebäudeinneren schräg nach unten.
Mittig unterhalb der WC-Befestigung waren die Holzpilze auch auf der Oberseite der Betondecke im Schlafzimmer unter dem dort ehemals vorhandenen Fußbodenaufbau weiter in das Schlafzimmer hinein gewachsen. Hier waren Reste des Pilzmyzels vorhanden. Das Pilzmyzel wies hier eine flächige Ausprägung, ausgehend von der Trennwand zum Badezimmer, auf. Der Abstand zwischen der Trennwand zum Badezimmer und der Grenze der Mycelreste der Holzpilzbildungen betrug ca. 1,2 m bis ca. 1,4 m.
Während des Ortstermins habe ich auch die Fassade des Gebäudes vom umgebenden Gelände aus augenscheinlich untersucht. Hierbei habe ich keine Hinweise auf Schäden festgestellt, welche den Witterungsschutz der Fassade hätten beeinträchtigen können.
Allgemeine Grundlagen
Schimmelpilze und Holzpilze sind Mikroorganismen, die weder zu den Pflanzen noch zu den Tieren gezählt werden können. Sie bestehen hauptsächlich aus folgenden Bestandteilen:
Sporen
Mycel
Fruchtkörper
Schimmelpilze vermehren sich durch die Bildung von Sporen, die auf dem Luftweg übertragen werden. Sowohl im Freien als auch innerhalb von geschlossenen Räumen sind natürlicherweise ständig Sporen unterschiedlicher Schimmelpilzarten in der Luft vorhanden.
Wenn an Oberflächen von Bauteilen günstige Lebensbedingungen vorliegen, dann bilden sich aus den Pilzsporen die sogenannten Hyphen. Hyphen sind kleinste, fadenartige Schimmelpilzbestandteile, deren Gesamtheit das Mycel bilden, das unter dem Mikroskop wie ein gewebeartiges Geflecht erscheint.
In weiter fortgeschrittenem Stadium entwickelt sich dann aus dem Mycel ein Fruchtkörper, der bei den verschiedenen Schimmelpilzarten unterschiedlich ausgeprägt ist. Er kann sowohl in der Form als auch in der Farbe variieren. Bei denjenigen Schimmelpilzen, die in Wohnungen auftreten, besteht der Fruchtkörper meist aus einem unregelmäßig begrenzten, flächenartigen Belag mit filzartigem Aussehen. Überwiegend weisen die Schimmelpilze graue und schwarze Farbnuancen auf, es können aber auch grüne, blaue oder rote Farbtöne vorliegen.
Das Auftreten von Schimmelpilzen geht häufig mit einem typischen, muffigen Geruch einher, der auch als modrig bezeichnet werden kann.
Überprüfung auf den Echten Hausschwamm
Vor der Beurteilung der Wachstumsgeschwindigkeit habe ich zusätzlich eine Untersuchung des Pilzes im Hinblick darauf durchgeführt, ob es sich bei dem Holzpilz um den Echten Hausschwamm handelt.
Bei dem Echten Hausschwamm handelt es sich um einen Pilz, der sich zuerst auf feuchtem Holz oder Holzwerkstoffen als Nährboden bildet und von dort aus auch Mauerwerk besiedeln kann. Das Holz muss für einen Anfangsbefall eine Holzfeuchte zwischen
etwa 20 Massen% und 40 Massen%
aufweisen. Ausgehend von feuchtem Holz kann der Hausschwamm dann auch trockenes Holz besiedeln. Er ist in der Lage, das trockene Holz anzufeuchten und sich somit selbst günstige Lebensbedingungen zu schaffen.
Unter denjenigen Pilzen oder Schädlingen, die Holzbauteile befallen können, ist der Echte Hausschwamm als einer der kritischsten einzustufen. Er ist in der Lage auch Schüttungen, trockenes Mauerwerk, hohlräumigen Beton, Versorgungskanäle oder Leitungsschlitze zu durchwachsen und kann sich somit bei entsprechend günstigen Bedingungen von einem Raum in den anderen oder sogar von einem Stockwerk in das andere verbreiten.
Bevorzugt entwickelt sich der Echte Hausschwamm in Zwischendecken, Hohlräumen oder hinter Wandbekleidungen und kann sich von hier aus auf versteckte Weise weiterverbreiten. Aus der Literatur gehen folgende Wachstumsgeschwindigkeiten des Echten Hausschwamms hervor:
nach Cartwright und Findlay sowie Schmidt, 1994: 1-10 mm pro Tag
Jennings und Bravery, 1991: 1,5 - 9 mm pro Tag
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist unter anderem von den Wachstumsbedingungen, dem Feuchtigkeitsangebot und der Lufttemperatur abhängig. Holzzerstörende Pilze entwickeln sich in einem Temperaturbereich der
minimal bei etwa 2 bis 5 ºC
und
maximal bei etwa 35 bis 40 °C
liegt. Innerhalb dieses Bereiches hat jede Pilzart ein bestimmtes Optimum. Dabei liegt die höhere Wachstumsgeschwindigkeit im mittleren Temperaturbereich. Die optimale Wachstumstemperatur des Echten Hausschwamms liegt bei etwa 20 °C.
Der Echte Hausschwamm muss in jedem Fall unverzüglich beseitigt werden. Die Bekämpfung des Echten Hausschwamms darf nur von einer Fachfirma durchgeführt werden, die Erfahrung auf diesem Fachgebiet hat.
Zusätzlich muss dafür gesorgt werden, dass der Feuchtenachschub des Pilzes dauerhaft unterbunden wird. Hierzu müssen häufig zusätzliche Abdichtungsmaßnahmen an den betroffenen Räumen ergriffen werden. Außerdem können Maßnahmen zur Verbesserung der Lüftung erforderlich werden.
In einigen Bundesländern ist der Hausschwammbefall meldepflichtig. Im Zweifelsfall ist die zuständige Bauaufsichtsbehörde hinzuzuziehen.
Die Untersuchung einer entnommen Probe des Holzpilzes ergab, dass eine Besiedlung mit Echtem Hausschwamm ausgeschlossen werden konnte.
Abschätzung des Alters der Holzpilze
Pilzwachstum
Die Wachstumsgeschwindigkeit von Pilzen ist insbesondere davon abhängig, welche Lebensbedingungen in den betroffenen Bereichen vorlagen. Aus der Literatur geht hervor, dass übliche Werte der Wachstumsgeschwindigkeit
1 mm bis 4 mm pro Tag
betragen können. Da im vorliegenden Fall während der Wachstumszeit sowohl günstige Temperaturen (Wohnraumbedingungen) als auch hohe Feuchtegehalte zugrunde gelegt werden müssen, waren insgesamt sehr günstige Lebensbedingungen für die Holzpilze gegeben. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Wachstumsgeschwindigkeit der vorgefundenen Holzpilze im oberen Bereich der angegebenen Spanne lag.
Setzt man deshalb eine Spanne der Wachstumsgeschwindigkeit von
≈3 mm bis ≈4 mm pro Tag
an, dann ergibt sich, dass die Holzpilze eine Zeit von (gerundet)
≈300 Tagen bis ≈470 Tagen
benötigt haben, um die von mir festgestellten Mycellängen von 1,2 m bis 1,4 m zu durchwachsen.
Schadensmeldung
Die vom Verkäufer an die Versicherung durchgegebene Schadensmeldung war im April 2015 erfolgt. Hieraus schließe ich, dass der Schadenseintritt innerhalb eines kurzen Zeitraums davor gelegen haben muss.
Feststellung der Holzpilzbildungen
Die Pilzbildungen in der Konstruktion des betroffenen Wohngebäudes wurden durch den Käufer laut Angabe einige Zeit nach dem Kauf des Gebäudes etwa
Mitte März 2016
festgestellt.
Zeitspanne zwischen dem Eintritt des Wasserschadens und der Feststellung der Holzpilze
Aus dem Zeitpunkt der Schadensmeldung und dem Zeitpunkt der Feststellung der Holzpilze ergibt sich, dass zwischen dem Eintritt des Wasserschadens und der Schadensfeststellung durch den Käufer ein Zeitraum von etwa
≈11 Monaten
lag. Somit beträgt die Spanne zwischen dem Eintritt des Wasserschadens und der Feststellung der Holzpilze etwa
≈330 Tage.
Schlussfolgerungen und Beurteilung
Aus meiner rechnerischen Abschätzung der Wachstumszeit der Holzpilze ergibt sich, dass die Zeit zwischen dem Wasserschadenseintritt während der Nutzung durch die Verkäufer und der Schadensfeststellung durch den Käufer von
≈330 Tagen
innerhalb der von mir in Abschnitt 3 abgeschätzten Wachstumszeit der Holzpilze von
≈300 Tage bis ≈470 Tage
lag. Hieraus kann geschlossen werden, dass der im Bereich der Toilette aufgetretene Wasserschaden die Ursache der festgestellten Holzpilzbildungen in dem betroffenen Gebäude war.
Meine Untersuchungen im Zuge des Ortstermins ergaben darüber hinaus auch keine Hinweise darauf, dass andere Ursachen, beispielsweise Schäden an der Fassade, als Ursache der Holzpilzbildungen in Frage kommen. Der Witterungsschutz der Fassade war nicht beeinträchtigt.
Auch die Dachkonstruktion sowie die Fensteranschlüsse waren dicht und konnten als Schadensursache ausgeschlossen werden.
Weiterhin zeigte auch die Ausprägung der Holzpilzbildungen mit dem höchsten Punkt im Wandbereich an der ehemaligen Befestigung des WC-Sitzes, dass von dort der Feuchtigkeitsschaden und die Ursache der Pilzbildungen ausgegangen waren.
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